„Aguablanca – das heißt für uns vor allem, Kindern zu helfen damit sie sich einmal selbst helfen können. Nur Kinder mit einem Schulabschluss haben die Möglichkeit, ein selbst- bestimmtes und menschenwürdiges Leben zu führen. Aguablanca – das heißt für uns ein kleines Stück Gerechtigkeit für unsere Welt.”
- Waltraud und Dietmar Zibelius – Unterstützer und Mitglieder des Vereins

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Trauer um Ursula Vollmer

Ursula Vollmer ist tot. Die pensionierte Lehrerin und langjährige Vorsitzende des Herborner Vereins Aguablanca ist am Mittwoch, 10. Februar im Alter von 73 Jahren verstorben. Herborns Bürgermeister Hans Benner (SPD) würdigte sie als einen besonders engagierten Menschen: „Wir sind alle sehr traurig und in Gedanken bei der Familie. Ursula Vollmer war ein Mensch, der uns an allen Ecken und Enden fehlen wird. Ich kannte sie seit über 40 Jahren und habe sie in ihrer menschlichen, fürsorglichen und zupackenden Art geschätzt.“

Ursula Vollmer kam nach ihrem Studium in Frankfurt und einem Auslandsjahr als Lehrerin in Wales im Mai 1965 nach Herborn. Sie unterrichtete Englisch und evangelische Religion zunächst an der Comenius-Schule und später am Johanneum-Gymnasium. Dort war sie bis zu ihrer Pensionierung tätig. Die Schulleiterin des Johanneum-Gymnasiums Jutta Waschke nannte Vollmer „eine beliebte und erfolgreiche Lehrerin, die hat sich stets um die Fortentwicklung ihrer Fächer bemüht hat“. „Sie war beispielsweise eine wichtige Gestalterin des Austauschs mit unserer Partnerstadt Pertuis in Frankreich. Als sie vor etlichen Jahren in den Ruhestand ging, war dies ein echter Verlust für das Johanneum. Frau Vollmer hat sich in ihrem Berufsleben über den Unterricht hinaus stets für die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler eingesetzt. Mit hoher Empathie kümmerte sie sich um ihr Wohlergehen und ihre Zukunftsaussichten. Sie war im besten Sinne eine Pädagogin“, sagte Waschke.

Auch über ihre schulische Tätigkeit hinaus war Ursula Vollmer in hohem Maße engagiert. Anfang der 1980er Jahre lebte sie mit ihrer Familie in Kolumbien und wurde dort durch ihre ehrenamtliche Arbeit in einem Haus für alleinerziehende Mütter mit großer Armut und Gewalt konfrontiert. „Sie hat damals schon versucht, Menschen in unserem direkten Umfeld Chancen zu ermöglichen, hat unserem Gärtner, der mit verkehrt herum gewachsenen Füßen geboren wurde, die Operation bezahlt und unserem Hausmädchen eine Abendschule finanziert“, berichtete ihr Sohn Christian Kopf.

Bald nach ihrer Rückkehr nach Herborn, die von einer schweren Krankheit unterbrochen wurde, gründete Frau Vollmer gemeinsam mit sechs anderen Lehrern des Johanneum Gymnasiums den Verein Aguablanca. Dieser unterstützt seither eine Partnerschule im Armenviertel Aguablanca der kolumbianischen Großstadt Cali, in der etwa 450 Kinder und Jugendliche eine Schulbildung und damit die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde erhalten. „Mit Frau Vollmer hat unser Verein nicht nur seine Gründerin, sondern vor allem einen außergewöhnlichen Menschen verloren. Ihre Fürsorge, ihre unerschütterliche Zuversicht und ihre Gabe für die richtigen Worte zur rechten Zeit werden uns sehr fehlen. Mit ihrer herzlichen und bestimmten Art wusste sie einen jeden für gelebte Solidarität und unser Projekt in Kolumbien zu begeistern“, sagt Jana Stupperich, die seit wenigen Wochen die Vorstandsvorsitzende des Vereins ist. „Sie hat das Leben vieler Menschen berührt und bewegt.“  „Aguablanca“ wurde in den letzten 27 Jahren ein fester Bestandteil des Herborner Stadtlebens und ist mit seinem Waffelstand auf dem Martinimarkt vielen Bürgern der Stadt vertraut. Seit den 1990er Jahren haben eine Reihe Herborner Bürger und Lehrer des Johanneums die Partnerschule in Cali besucht und seit 2009 entsendet der Verein Aguablanca e.V. Abiturienten mit Hilfe des Weltwärts-Programms der deutschen Bundesregierung für jeweils elf Monate nach Cali zur Unterstützung der Partnerschule im Englisch-, Sport- und Musikunterricht. „Frau Vollmer hat uns jungen Persönlichkeiten Erfahrungen ermöglicht, die unser Denken und unsere Weltanschauung immens geprägt haben. Wir sind sehr traurig, doch uns erfüllt auch ein Gefühl von großer Dankbarkeit und dem unbedingten Willen, die Arbeit für und in Kolumbien in ihrem Sinne fortzuführen.“ Im Jahr 2005 wurde Frau Vollmer für ihr Engagement in Kolumbien von der Stadt Dillenburg mit der Charlotte-Petersen-Medaille geehrt. Im Jahr 2012 wurde ihr der Ehrenteller der Stadt Herborn verliehen.

Neben dieser ehrenamtlichen Tätigkeit war Frau Vollmer viele Jahre lang Mitglied im Vorstand der evangelischen Kirchengemeinde Herborn. Zudem war sie Mitglied im Herborner Stadtparlament und dort zuletzt als stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin tätig. Trotz ihrer Herkunft aus einem konservativen und bürgerlichen Frankfurter Pfarrhaus war sie seit 1967 überzeugte Sozialdemokratin. In Bezug auf ihr Engagement im Stadtparlament stellte Vollmer jedoch klar: „Für mich ist Kommunalpolitik keine Parteipolitik“. Bürgermeister Hans Benner sagt über ihr Engagement: „Egal ob Aguablanca, Kirche oder Politik – Ursula Vollmer war ein Mensch, der das was er zugesagt auch getan hat.“

Frau Vollmer hinterlässt ihren zweiten Ehemann, Oberstleutnant a.D. Hans-Albrecht Schoen, mit dem sie seit 22 Jahren auf dem Herborner Reuterberg wohnte, und eine große Familie mit neun Enkelkindern und vielen Nichten und Neffen, mit denen sie eng verbunden war.

 

Von Jenny Berns